„Mehr als 90 Prozent der Masse einer Windenergieanlage hat eine hohe Recyclingfähigkeit, sowohl materiell als auch verfahrensabhängig betrachtet“1. Die restlichen 10%, die Rotorblätter, stellen eine besondere Herausforderung dar. Diese benutzt man nämlich ungefähr 20-30 Jahre bis man sie abmontieren muss. Es stellt sich die Frage, wie das Recycling von Rotorblättern auf Dauer funktionieren kann.
Rotorblätter bestehen aus mehreren Verbundmaterialien2. Auf Grund der teilweise extremen Belastungen durch Windlast oder Umgebungsbedingungen müssen diese außerordentlichen Qualitätsansprüchen genügen. Das bedingt eine Bauweise, die es momentan erschwert, die Rotorblätter nach ihrer Nutzungsdauer – also wenn die Windenergieanlage zerlegt wird – vollständig zu recyceln. Das Hauptproblem ist, dass man die verwendeten Materialien nur schwer, d.h. mit hohem Energieaufwand, voneinander trennen kann.
Status Quo
Die wichtigsten Möglichkeiten zum Umgang mit ausgedienten Rotorblättern sind momentan:
- Umfunktionieren
Die Rotorblätter schneidet man geeignet zu und verwendet sie für andere Zwecke. Das sind z.B. Spielplätze3, Sitzbänke4, Brücken5, Fahrradständer6, …
Das ist nett, aber sicher keine Lösung die auf Dauer skaliert. - Zerkleinern
Die zerkleinerten7 Rotorblätter können in anderen Materialien weiter verwendet werden, oder werden in Zementwerken verbrannt8, wo sie nebenbei helfen können, die C0₂ Emissionen der Zementproduktion und deren Bedarf an Rohmaterial zu senken9. - Pyrolyse10
Ein energieintensiver Prozess, der heutzutage leider noch C0₂ emittiert. Man heizt dabei das Material auf 400-700 °C auf, damit sich das Harz in einfachere Substanzen zerlegt. Damit kann man auch Kohlenstofffasern retten, die man anschließend für andere Zwecke wiederverwenden kann. - Entsorgen
Die vermutlich günstigste und einfachste Methode ist es, die Rotorblätter auf einer Deponie zu entsorgen oder zu lagern. Das sieht zum einen nicht schön aus und zum anderen ist das auf Dauer kein nachhaltiges Konzept. Die „Waste Framework“ Verordung11 der EU definiert „Entsorgung“ („Disposal“) als die am wenigsten präferierte Möglichkeit zum Umgang mit Müll.
Rotorblatt Recycling
Die Energiemenge, die man braucht, um ein Rotorblatt mit fortgeschrittenen Methoden zu recyceln, ist ca. 100 mal größer, als wenn man es auf einer Deponie lagern bzw. entsorgen würde12. Das ist sicher mit ein Grund, warum momentan nicht viele Rotorblätter recycelt werden. Erstaunlich: Ein Windrad im Betrieb produziert die Energiemenge, die selbst für die energieintensivste Recyclingmethode benötigt wird, schon innerhalb weniger (3,5) Tage13 .
Ein Windrad in Baden-Württemberg produziert damit pro Jahr die Energiemenge, die man braucht, um die Rotorblätter von mehr als 20 Windrädern14 mit den energieintensivsten Prozessen zu recyceln.
Falls also jemand behaupten würde, dass ein Windrad für das Recycling mehr Energie benötigt, als es während seiner Betriebszeit produziert, dann liegt diese Person um mehr als Faktor 40015 daneben.
Ausblick
Die Industrie arbeitet inzwischen an Rotorblättern, die wesentlich einfacher recycelbar sind und kommerziell eingesetzt werden können. Dies ist besonders für Offshore-Anlagen interessant, welche in einer raueren Umgebung operieren müssen. Erste Offshore-Windräder betreibt man bereits mit diesen Rotorblättern.16
Videos zum Thema
Einen umfassenden Überblick findet man in diesem aktuellen Video (Englisch) einer Ingenieurin (Ph.D. in Rotorblatt Design), die die Thematik aus unterschiedlichen Blickpunkten recht verständlich erklärt:
Das recyclingfähige Siemens Gamesa Rotorblatt:
Quellen / Referenzen
- https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/produktverantwortung-in-der-abfallwirtschaft/windenergieanlagen/rotorblattaufbereitung-recycling-von ↩︎
- https://www.iekrw.de/wp-content/uploads/2021/11/recyclewind-Albers-et.al_.-2016.pdf ↩︎
- https://www.fastcompany.com/90805170/yesterdays-wind-turbine-blades-are-tomorrows-playgrounds ↩︎
- https://energynews.us/2023/12/21/spirit-of-giving-is-central-to-cleveland-area-companys-blades-to-benches-business/ ↩︎
- https://www.theverge.com/2022/2/11/22929059/recycled-wind-turbine-blade-bridges-world-first ↩︎
- https://www.designboom.com/design/denmark-repurposing-wind-turbine-blades-bike-garages-09-27-2021/ ↩︎
- https://www.businessinsider.com/recycle-wind-turbine-blades-veolia-north-america-waste-landfills-2023-2 ↩︎
- https://www.ingenieur.de/fachmedien/vdi-energie-umwelt/umwelt/energie/rotorblaetter-in-zementwerken/ ↩︎
- https://windeurope.org/newsroom/news/windeurope-ceo-visits-german-cement-plant-thats-running-on-blade-waste/ ↩︎
- https://de.wikipedia.org/wiki/Pyrolyse ↩︎
- https://environment.ec.europa.eu/topics/waste-and-recycling/waste-framework-directive_en ↩︎
- https://api.repository.cam.ac.uk/server/api/core/bitstreams/5d6c2c41-5166-47f2-8961-49d2afc23eff/content ↩︎
- https://youtu.be/fFxxh6uJB8o?si=WJ4TgP0eSAXXjkrn&t=897 ↩︎
- Annahmen: (1) 2000 Volllaststunden für BW; (2) 85,1 Volllaststunden/Windrad, für die Produktion der benötigten Recyclingenergie, ist sichere obere Grenze für moderne Windräder, da die Referenz-Rechnung im verlinkten Video auf einem 1,5 MW Windrad beruht und die Leistung der Windräder stärker mit der Rotorblattlänge wächst, als die Masse des Rotorblatts. Das bedeutet wiederum, dass die errechnete Zahl eine untere Grenze (Mindestwert) darstellt; Rechnung: 2000 (Volllaststunden/Jahr) / 85.1 (Volllaststunden/Windrad) = 23,5 Windräder/Jahr ↩︎
- Annahme: 20 Jahre Betriebszeit eines Rotorblatts ↩︎
- https://www.siemensgamesa.com/en-int/newsroom/2022/07/080122-siemens-gamesa-press-release-recycle-wind-blade-offshore-kaskasi-germany ↩︎
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